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Bulgarien
 
Afrika am Schwarzen Meer?

 
Als unsere rührige Hotelchefin uns ans Herz legte, auf jeden Fall die Bootsfahrt auf dem Fluss Ropotamo mitzumachen, fühlte ich mich gleich durch den Namen an den sagenhaften Fluss Limpopo erinnert, der durch Afrika fließt und vielen Kindern aus Kornej Tschukowskis „Doktor Aibolit“, einer Adaptation des „Doktor Doolittle“, bekannt ist.
 
Der Name des Flusses, der aus dem Altgriechischen kommt und „Grenzfluss“ bedeutet, klingt für bulgarische Verhältnisse schon recht ungewöhnlich, doch er ist bei Weitem nicht die einzige Besonderheit. Ropotamo heißt ein ganzes Naturschutzgebiet, das auf einer Fläche von mehr als 1000 ha beispielsweise 232 Vogelarten beherbergt.
 
Dafür, dass diese sich ungestört entwickeln können, sorgt das strikte Verbot jeglichen menschlichen Eingreifens in das natürliche Gefüge im Einzugsgebiet des Flusses. So stehen beispielsweise am Ufer des Flusses in regelmäßigen Abständen Schilder mit der Aufschrift „Angeln verboten“, die unter anderem dazu dienen, die Fischbestände als Futterreserve zu sichern, denn allein ein Kormoran vertilgt 2-4 kg Fisch pro Tag.
 
Immerhin ist es gestattet, den Fluss mit einem Boot zu befahren und so Schildkröten, Reiher und anderes Getier genauer ins Visier zu nehmen.
 
Anderes Getier? Habe ich mich gerade verhört, oder sprach die Reiseführerin tatsächlich gerade von einem Löwenkopf, der gleich zu sehen sein sollte? Gibt es hier etwa doch einen Hauch von Afrika, oder spielen mir meine Assoziationen einen Streich? Nein, es gibt ihn tatsächlich, den Kopf der afrikanischen Raubkatze. Allerdings handelt es sich dabei um einen Felsen, der aussieht wie eine schlafende Löwin, müde geworden von der wachsamen Beobachtung des Strandscha-Gebirges, in dessen nördlichen Ausläufern wir uns hier befinden.
 
Immer wieder fliegen Vögel vor uns her und über uns hinweg – sichtbar genug, um alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber dennoch zu schnell, um Amateurfotografen auch nur  den Hauch einer Chance auf ein gutes Bild zu lassen. Einzig und allein eine Lachmöwe hat sich dort, wo der Fluss ins Schwarze Meer mündet, auf einem Stein in Positur gestellt und verharrt regungslos, bis alle Schnappschüsse im Kasten sind.
 
Nein, mit Afrika hat diese Gegend sicherlich nicht mehr zu tun als jeder andere Landstrich in Europa, sehenswert aber ist sie allemal, auch wenn weder Elefanten noch Flusspferde die Wasserläufe bevölkern und der einzige Löwe aus Stein ist.
 
 
(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
 
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