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Bulgarien
 
Sie wächst, ohne zu altern

 
 
„Ever growing, never aging“ - den Satz, dessen Kernaussage so manche Frau sicher gern für sich in Anspruch nähme, findet man in Sofia selbst, aber auch in Werbeprospekten für die Sehenswürdigkeiten und in Reiseführern, in allen erdenklichen Sprachen, denn er ist das Motto der Stadt, das selbst das Stadtwappen ziert.

 
           Wer einmal in der bulgarischen Hauptstadt war, den wird dieser Leitsatz wenig verwundern - man findet ihn vielmehr im Stadtbild immer wieder bestätigt.

 
Das Wachstum sieht man überall, denn im Zentrum gibt es kaum einen Straßenzug ohne eine Baustelle, wobei ein Großteil davon im Moment sicher dem Ausbau des Metronetzes geschuldet ist.  Kaum ein Fotomotiv, bei dem einem nicht der eine oder andere Baukran vor die Linse geraten würde… So fällt es einem beim Anblick der heutigen Stadt schwer zu glauben, dass Sofia, als es 1885 nach der Befreiung von der türkischen Fremdherrschaft zur Hauptstadt des neuen bulgarischen Staates erklärt wurde, nicht einmal die größte Stadt des Landes war - damals waren Ruse und Plovdiv noch größer.

 
Diese Zeiten sind eindeutig vorbei: Inzwischen hat Sofia weit mehr als eine Million Einwohner, und es ist unübersehbar, dass sich die Stadt ständig weiter entwickelt.

 
Doch auch vieles Alte ist erhalten geblieben: Seien es die Überreste einer Festung der römischen Siedlung Serdika, aus der Sofia einmal hervorgegangen ist, oder die Rotunde des Heiligen Georgs, die aus dem 4. Jahrhundert stammt. Das alles wurde integriert in das Stadtbild des modernen Sofia - die Rotunde im Innenhof des Präsidentenpalastes, wohingegen man die alten Festungsmauern in einem Fußgängertunnel unter einer der befahrensten Straßen des Stadtzentrums bestaunen kann

 
Der alte Zarenpalast, früher mit blassgrüner Fassade, ist nun wieder leuchtend gelb wie in seinem Ursprungszustand, und auf einer Seite des Daches prangen sogar Notenlinien mit dem Anfang von Beethovens „Ode an die Freude“. Dieser Palast zeugt von einer Verbindung zu Deutschland, die Bulgarien nach der Befreiung vom Osmanischen Reich prägte, denn Prinz Alexander Joseph von Battenberg war von 1879 an gewählter Fürst von Bulgarien, bis er 1886 wegen Intrigen abdanken musste und ihn Ferdinand I., der österreichischer Herkunft war, ablöste. Daher wurde auch der Zarenpalast von deutschen Architekten erbaut - heute dient er der Nationalgalerie als Domizil.

 
So hat er im Gegensatz zu anderen Monumenten vergangener Zeiten eine neue Bestimmung gefunden, denn auch der Teil des Stadtmottos, in dem es darum geht, dass Sofia nicht altert, wird rege in die Tat umgesetzt. Das Mausoleum, in dem Georgi Dimitroff, moralischer Sieger des Reichstagsbrandprozesses in Leipzig und Nachkriegs-Ministerpräsident von Bulgarien, beigesetzt worden war, wurde 1999 gesprengt, und nachdem Lenin nicht mehr salonfähig war, wurde er im wahrsten Sinne des Wortes vom Sockel geholt und die Statue in ein Museum gebracht. An der Stelle des alten Denkmals steht nun die Statue der Heiligen Sophia, der Schutzpatronin der Stadt. Diese Statue aus dem Jahre 2000 ist sehr modern, und weil sie sich in ihrer Gestaltung nicht an den Bilderkanon der Orthodoxen Kirche hält, ist sie auch nie nach dem üblichen Ritus geweiht worden, sodass sie kein Heiligenbildnis im ikonographischen Sinne darstellt.

 
Ein Blickfang aber ist sie allemal, wie so vieles in dieser alten, modernen Stadt, die ihrem Motto stets aufs Neue gerecht wird.

 
(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
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