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Ostern im Kloster

Das klingt zunächst vielleicht beschaulich, doch wer sich unter dieser Überschrift ein besinnlich-kontemplatives Wochenende vorstellt, ist im vorliegenden Fall fast buchstäblich auf dem Holzweg. Im ehemaligen Zisterzienserkloster von Chorin gibt es nämlich alljährlich zum Osterfest ein buntes Treiben, das auch noch an zwei verschiedenen Standorten auf höchst unterschiedliche Weise stattfindet.

Im Kloster selbst, das 1258 gegründet wurde und in der Zählung nach Leopold Janauschek die Ordnungsnummer 661 trägt, findet am Osterwochenende ein Markt statt, wie es ihn wahrscheinlich auch vor Hunderten von Jahren schon gegeben hat: Hier kann man Kräuter und Keramik erstehen, Honigvariationen und Hochprozentiges, Gefilztes und Gegerbtes, Würste und Wollenes. Auch vor Ort kommt das leibliche Wohl nicht zu kurz. Wir haben zum ersten Mal in unserem Leben Wasserbüffelfleisch probiert - als Keulenbraten, als Gulasch und als Grillwurst - und waren ausgesprochen angenehm überrascht.

Trotz des mittelalterlichen Ambientes, das so ein Kloster natürlich von Hause aus mitbringt, ist der Markt allerdings eher modern und weltoffen. So gibt es bei den Kräutern auch eine Wasabi-Rauke, und neben den ausgesprochen regionalen Produkten kann man Salami aus Südfrankreich probieren und kaufen, die von einem freundlichen Bretonen angepriesen und zum Kosten angeboten wird.

Auch für geistige Nahrung ist durchaus gesorgt. So bietet der Chorin-Verein kleine Broschüren zur Brandenburger Geschichte an, die die Vereinsmitglieder in mühevoller Arbeit in Archiven selbst erstellt haben (inzwischen sind bereits 89 dieser Hefte erschienen), und eine Ausstellung gibt nicht nur über das Kloster im Allgemeinen Auskunft, sondern auch über die versteckten Botschaften, die Baumeister und Handwerker vergangener Zeiten in den Backsteinen hinterlassen haben. So finden sich in den alten Gemäuern geritzte Zeichnungen, Buchstaben und Symbole, aber auch Abdrücke von Händen, Füßen und sogar Tierpfoten. Man erfährt, was es damit auf sich hat, kann anhand von vergrößerten Fotografien auch nachvollziehen, welche biblischen Texte in die Klostermauern geritzt und welche verschiedenen Schriften dabei verwendet wurden. So sind die meisten Inschriften natürlich lateinisch, aber auch griechische Buchstaben und sogar Runen lassen sich finden, wenn man weiß, wo man nach ihnen suchen muss.

Dass in diesen im wahrsten Sinne des Wortes heiligen Hallen an einem Festtag wie dem Ostersonntag auch ein Konzert mit geistlicher Musik stattfindet, muss wohl kaum noch extra erwähnt werden, weil es fast schon selbstverständlich ist. Natürlich kommen auch die Kleinsten auf ihre Kosten - ob beim Basteln, beim Eierlauf oder beim Ablaufen oder gar -krabbeln eines Steinlabyrinths, das einen großen Teil der Fläche des Klosterinnenhofs einnimmt.

Das deutlich mittelalterlicher geprägte Pendant zu diesem Veranstaltungsteil findet einige Hundert Meter weiter auf einer Festwiese statt und wird bereits seit 30 Jahren von der Musikgruppe „Spilwut“ organisiert. Dort geht es zu, wie man es sich für einen echten Mittelalterjahrmarkt vorstellt. Es gibt Gaukler und Musik, Theater, Handwerker und sogar im Messerwerfen kann man sich versuchen.

Der Höhepunkt jedoch ist das allabendliche Winteraustreiben, ein buntes Spektakel, bei dem die Frühlingsgeister den Winter vertreiben und dabei sogar von einem feuerspeienden Drachen unterstützt werden. Mit viel Musik und Beteiligung des gesamten Publikums geht es anschließend über den Festplatz, wo sich Lindwurm und Drache noch einmal bekämpfen.

Für uns ist es fast schon symptomatisch, dass es jedes Mal, wenn wir das Festgelände eigentlich schon verlassen wollen, etwas gibt, das uns davon abhält und letztendlich maßgeblich zu den schönen Erinnerungen beiträgt, die wir aus Chorin mit nach Hause nehmen. War es im vorigen Jahr eine freundliche Dame, die uns darauf aufmerksam machte, dass nur zehn Minuten später der Winter ausgetrieben werden würde (sonst wäre uns diese wunderbare Theatervorstellung entgangen), war es in diesem Jahr die Idee, den Verkaufsständen doch noch einmal einen kurzen Besuch abzustatten. Auch sie erwies sich als Volltreffer, denn wir fanden dabei einen Stand, an dem die verschiedensten Okarinas verkauft wurden. Da wir schon länger vorgehabt hatten, uns so ein Instrument zuzulegen, kamen wir natürlich sofort näher heran, und die freundliche Verkäuferin setzte, als sie uns sah, auch gleich zum Spielen an.

Als die ersten Töne erklangen, glaubte ich, meinen Ohren nicht zu trauen. Was ich da hörte, war eine Melodie, die ich aus meiner Kindheit kannte und danach nur noch sehr selten gehört hatte. Ich fragte das junge Mädchen, was sie da spielte, und sie antwortete mit unverkennbar ungarischem Akzent: „Ein ungarisches Volkslied!“ Auf diese Weise erfuhr ich also, dass „Flackerndes Feuer“, ein Lied, das wir häufig in Sommerferienlagern am Lagerfeuer gesungen hatten, eigentlich aus Ungarn stammt, und glücklicherweise gab es an dem Okarina-Stand auch gleich das passende Liederbuch dazu.

So war der Osterausflug, der zwischen Kloster und Festwiese natürlich auch den klassischen obligatorischen Osterspaziergang beinhaltete, ein voller Erfolg, und wir sind fest entschlossen, auch im nächsten Jahr zu Ostern wieder nach Chorin zu kommen.

 
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