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Ein Wochenende - schön wie Himbeeren mit Schlagsahne

 
Seit ich als Kind diesen Vergleich in Erich Kästners „Das doppelte Lottchen“ zum ersten Mal gelesen habe, ist er für mich der Inbegriff für gelungene Wochenenden, bei denen einfach alles stimmt. Dass es sich in der Originalversion ebenfalls um ein Wochenende in den Bergen handelt, lässt die Parallelen umso deutlicher werden. Nur dass es andere Berge waren, nämlich die Alpen, und eine andere Jahreszeit.

Bei dem Wochenende, von dem hier berichtet werden soll, handelt es sich zwar um ein Adventswochenende (und nicht wie bei Kästner um die Sommerferien), aber da der eigentlich schneeverwöhnte Thüringer Wald diesmal auch grün war, passt es auf jeden Fall.

Wenn man richtig Zeit zum Bummeln hat, macht natürlich jeder Weihnachtsmarkt mehr Spaß. Wie ich es auch schon aus früheren Jahren kannte, nimmt der traditionelle Weihnachtsmarkt den gesamten Platz vor dem Erfurter Dom ein, doch auch an anderen Stellen in der Innenstadt stößt man immer wieder auf weihnachtlich geschmückte Büdchen und Verkaufsstände. Da das außer mir auch noch viele andere Leute wussten, ist es mir seit langer Zeit zum ersten Mal passiert, dass ich als Fußgängerin buchstäblich im Stau stecken geblieben bin - die Straße zwischen dem Fischmarkt und dem Domplatz war einfach dicht.

Das Angenehme war, dass es offensichtlich niemanden gestört hat - alle, die Verkäufer eingeschlossen, hatten gute Laune, und hier und da gab es immer wieder Überraschungen. Nach mehreren abendlichen Vorweihnachtsfeiern in ausgesprochen netter und vertrauter Runde war der Höhepunkt des Wochenendes gleichzeitig auch sein krönender Abschluss - ein Besuch des Weihnachtsmarktes auf der Wartburg. Dieser Weihnachtsmarkt ist sehr traditionell gehalten, und allein schon durch den historischen Rahmen zieht einen die Atmosphäre dort sofort in ihren Bann. Vergessen ist das Gedränge im Shuttle-Bus vom Parkplatz hinauf zur Burg, vergessen der danach noch nötige Anstieg, bis man endlich vor den Toren steht. Dank der Burgwache und den schon vor dem Tor aufgebauten Buden fühlt man sich sofort in eine andere Zeit versetzt und kann einfach nur genießen. Auch wenn es nicht richtig kalt war, krochen Feuchtigkeit und ein klammes Gefühl doch langsam in uns hinauf, und so war es nicht die schlechteste Idee, als Erstes den Stand mit der Feuerzangenbowle zu frequentieren, die, ich muss es ehrlich zugeben, die beste war, die ich jemals getrunken habe - mit Orangenscheiben und Gewürzen, ein Wintertraum!

Natürlich sollte man sich, wenn man schon einmal auf der Wartburg ist, auch die Innenräume nicht entgehen lassen, und deshalb wandten wir uns nach der Feuerzangenbowle gleich dem großen Festsaal zu, in dem die nächste Überraschung auf uns wartete. In einem Raum, für dessen Kassettendecke Franz Liszt selbst die Trapezform empfohlen hatte, um die Akustik zu verbessern, trat nun ein Puppenspieler auf, und eine große Ansammlung erwachsener Menschen sah ihm höchst andächtig dabei zu. Anscheinend waren alle so in vorweihnachtlicher Märchenstimmung, dass niemand daran etwas seltsam fand, was mich, die ich ohnehin ein Faible für Märchen habe, wiederum sehr freute.
 
Auch die Lutherstube ließen wir uns natürlich nicht entgehen. Hier wartete allerdings die einzige Enttäuschung des Tages auf uns: Der Tintenfleck war weg! Der Fleck an der Wand, der dadurch entstanden sein soll, dass Luther beim Übersetzen des Neuen Testaments im Zorn sein Tintenfass nach dem Teufel geworfen hat, war verschwunden, obwohl uns alle Thüringer versicherten, er sei über die Jahre eigentlich immer gehegt und gepflegt worden.

Mit vielen kulinarischen Genüssen wie traditionellem, im Zeichen Frau Holles gebackenem Zwiebelkuchen und hausgefertigten Pralinen ließen wir den Tag ausklingen.

Der Weihnachtsmarkt auf der Wartburg aber, der traditionell an jedem Adventswochenende stattfindet, wird in jedem Fall mein ganz persönlicher Geheimtipp für die Vorweihnachtszeit bleiben.

(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
 
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