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Kroatien
 
Auf literarischen Spuren zu neuen Erkenntnissen

 
Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, im Urlaub nach Möglichkeit immer mindestens ein Buch zu lesen, das entweder von einem Autor aus meinem Reiseland geschrieben wurde oder dessen Handlung zumindest in diesem Land spielt. Auf diese Weise kommt man meines Erachtens zu bedeutend mehr Hintergrundwissen, als es einem die herkömmlichen Reiseführer vermitteln können. Durch einen Zufall habe ich auch in diesem Jahr ein Buch gefunden, das mich in den Urlaub nach Kroatien begleiten sollte: „Olivas Garten“ von Alida Bremer.

 
Ein Blick in den Atlas macht deutlich, dass Kroatien allein schon durch den Unterschied von Festland und Küstenstreifen aus mehreren Teilen besteht, sodass die Chance, dass ein Roman ausgerechnet in der eigenen Urlaubsgegend spielt, wahrlich gering ist. Umso größer war deshalb meine Verwunderung, als ich das Buch am ersten Urlaubstag aufschlug und zunächst nur auf Ortsangaben stieß, die mir durchaus vertraut waren: Šibenik, Zadar und Split hatten wir zum Teil sogar schon mehrfach besucht. Nach und nach tauchten auch andere Gegenden auf, von denen klar war, dass die Entfernung dorthin selbst innerhalb Kroatiens zu weit war, wie etwa Slawonien. Ein Name jedoch ließ mir keine Ruhe, denn ich war mir sicher, ihn ganz in der Nähe unseres Domizils auf einem Wegweiser gesehen zu haben: Vodice.

 
Dieser Ort taucht im Roman immer wieder auf, denn viele der Rückblenden gehen auf dieses kleine Fischerdorf zurück. So war es von der Lektüre nicht weit bis zum Vorhaben, mir diesen Ort selbst anzusehen, zumal er sich tatsächlich ganz in der Nähe der Insel Murter befindet, auf der wir einen Teil dieses Sommers verbrachten. Von einem Fischerdorf würde ich in diesem Zusammenhang allerdings nicht mehr sprechen. Wie viele andere Küstenorte auch, ist Vodice inzwischen vom Tourismus geprägt, und es bedarf einiger Phantasie, wenn man versucht, sich die Strandbars, Souvenir- und sonstigen Geschäfte wegzudenken und zumindest gedanklich den einstigen Kern des Ortes freizulegen. Hier und da findet man allerdings noch alte Gassen, die zu eng sind, als dass man ihnen mit modernen Bauten ihren Charme nehmen könnte.

 
Dennoch konnte ich mir nun beim weiteren Lesen den Hafen besser vorstellen, von dem aus die Protagonistinnen des Buches während des Zweiten Weltkriegs ihre jeweiligen Odysseen begannen, und wenn man sich die Geschichten vergegenwärtigt, die dahinter stehen, ist das geradezu übermächtige Denkmal, das auf der Strandpromenade an den Partisanenkampf in dieser Region erinnert, mehr als gerechtfertigt.




 
An einem wesentlich kleineren Gedenkstein wären wir vielleicht achtlos vorbeigegangen, hätte sich nicht eine Katze genau in seinem Schatten niedergelassen und ihren Kopf auf einen Blumenstrauß gebettet. Was es mit diesem Stein auf sich hat, erfuhr ich erst, als ich wieder in Deutschland war, aus dem Facebook-Post eines kroatischen Bekannten, der sich darüber empörte, dass ein Feuerwehrmann einen Rechtsstreit gegen den kroatischen Staat und die Stadt Šibenik verloren hatte. Noch während ich den verlinkten Zeitungsartikel las, dämmerte mir, dass all das, worum es darin ging, durchaus etwas mit dem fast unscheinbaren Stein in Vodice zu tun haben könnte.

 
Der Feuerwehrmann, hieß es, war der einzige Überlebende der „Tragödie der Kornaten“. Auf einer der Inseln dieser Inselgruppe hatte es am 30. August 2007 einen verheerenden Brand gegeben, bei dem zwölf Feuerwehrmänner ums Leben gekommen waren. Die genaueren Umständen wurden, soweit ich es recherchieren konnte, nie vollständig geklärt, doch das Unverständnis, wie es zu einer solchen Katastrophe kommen konnte, bei der offenbar eine starke Explosion eine Rolle gespielt hatte, hält wohl bis heute an. Im Internet wird gemunkelt, nicht sachgemäß entsorgte Nato-Munition aus der Zeit des Blauhelmeinsatzes in Kroatien könnte die Männer das Leben gekostet haben. Der einzige Überlebende ist nun mit seiner Schadenersatzforderung gescheitert und soll auch noch horrende Gerichtskosten für einen Prozess zahlen, der sich neun Jahre hingezogen hat.

 
Nachdem ich diesen Zeitungsartikel gelesen und beim weiteren Suchen herausgefunden hatte, dass vier der Feuerwehrleute aus Vodice kamen, fügte sich das Puzzle zusammen: der Gedenkstein, auf dem ein Feuerwehrhelm ruht, die Dankesbezeugungen und das Wappen der örtlichen Feuerwehr neben den vier Namen.

 
All diese Erkenntnisse verdanke ich also meiner Urlaubslektüre, und ich werde auf jeden Fall auch weiterhin an meiner Gewohnheit festhalten, Bücher zu lesen, die mit meinem jeweiligen Reiseziel zu tun haben.

 
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