- Literatur - Reiseblog

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Kroatien
 
Kremšnita, Kathedrale und kommerzfreies Konzert

 
Auch auf die Gefahr hin, dass mir für diesen Titel die Alliterations- und Wortspielhölle droht, scheint er mir die passendste Zusammenfassung unseres Aufenthaltes in Trogir zu sein.

 
Мeine Begegnung mit dieser Stadt, deren alter Kern zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, begann mit einer Kremšnita. (Wer sich mit den Eigenheiten der Schrift in slawischen Sprachen auskennt, wird bemerkt haben, dass sich hinter diesem fremdartig anmutenden Begriff ein Wort verbirgt, das im deutschen Sprachraum überaus geläufig ist: Cremeschnitte.) Sie war gelb, süß und fluffig und wahrscheinlich dazu angetan, den Kalorienbedarf für eine Woche zu decken. Da sie zu allem Überfluss aber auch noch hervorragend schmeckte, nahm ich diesen „Makel“ gern in Kauf.

 
Von dem Cafébesuch gestärkt, machten wir uns wieder auf den Weg durch die Altstadt. Sie befindet sich auf einer Insel, und ihren Abschluss bildet eine palmenbestandene Uferpromenade, die wie eine kleinere Ausgabe der in Split befindlichen wirkt. Überhaupt könnte man meinen, dass sich die alten kroatischen Städte in gewisser Weise ähneln – was sie sicher auch tun. Daraus jedoch auf den banalen Grundsatz „Kennt man eine, kennt man alle.“ zu schließen, wäre ein fataler Fehler, denn jede von ihnen hält für den aufmerksamen Besucher die eine oder andere Überraschung bereit.

 
In Trogir war das für mich die Kathedrale. Eigentlich war diese, als sie im 13. Jahrhundert erbaut wurde, dem Heiligen Laurentius geweiht worden, jedoch hat ihm ein lokaler Heiliger, Johannes von Trogir, der bis 1111 Bischof von Trogir war und in der Kathedrale im 15. Jahrhundert eine eigene Kapelle erhielt, de facto den Rang abgelaufen. Ursprünglich eine romanische Basilika, war die Kathedrale im Laufe ihrer Geschichte so vielen Veränderungen unterworfen, dass man inzwischen auch Elemente der Gotik, der Frührenaissance und sogar des Barock findet.

 
Am bekanntesten (und auch mit am ältesten) ist sicher das Portal der Kirche, das eine Verbindung von Romanik und Gotik darstellt. Es stammt von Meister Radovan, über den nur das bekannt ist, was er selbst als Inschrift an der Lünette des Portals hinterlassen hat: „Das Portal hat Radovan im Jahre 1240 nach der Niederkunft der Jungfrau erbaut, der in seinem Können über allen stand, wie aus Skulpturen und Reliefs ersichtlich ist, für den Bischof Treguan, den Toskaner aus Florenz.“ Inzwischen weiß man, dass der Schmuck des Portals nicht nur das Werk Radovans gewesen sein kann, denn es sind mindestens zwei Phasen der Bildhauerei erkennbar – die erste wird dem 13., die zweite dem 14. Jahrhundert zugerechnet. Das Hauptmotiv in der Lünette ist die Geburt Christi – ebenfalls mit Inschriften und verschiedenen Nebendarstellungen versehen, doch es finden sich auch Allegorien auf verschiedene Monate, Heiligenbilder und Figuren von Adam und Eva. Viele der Reliefs haben mich an alte Elfenbeinschnitzereien erinnert, so feingliedrig und detailgetreu waren die einzelnen Darstellungen.

 
Unser letztes Erlebnis an diesem Tag war ein Konzert einer Klapa, also einer dalmatinischen A-capella-Gruppe (wenn man über die zeitweilige Begleitung mit Gitarre und Keyboard großzügig hinwegsieht, die aber bei den meisten Klape vorhanden ist), das abends in der Festung Kamerlengo aus dem 15. Jahrhundert stattfand. Die Kulisse war natürlich grandios und das Konzert so gut besucht, dass eine ganze Reihe Zuhörer stehen musste. Der Eintritt war frei, wie es in den Urlaubsorten an der Küste durchaus keine Seltenheit ist. Gut anderthalb Stunden sangen die Herren ohne Pause, und der Abend wäre sowohl musikalisch als auch durch das Ambiente schon allein unvergesslich gewesen. Zweifellos in Erinnerung bleiben wird mir jedoch eine Begebenheit, die nach dem Konzert folgte.

 
Eigentlich bin ich es von Konzerten durchaus gewöhnt, dass die Künstler auf ihre CDs verweisen, sie hochhalten oder zumindest ankündigen, wo der Verkauf derselben stattfinden würde. Das war hier nicht der Fall, die Klapa aber so gut, dass ich nach dem Konzert auf die Sänger zuging, was auch völlig unproblematisch war, und fragte, ob sie denn CDs verkaufen würden. Nachdem einer von ihnen mir erklärt hatte, dass er keine Ahnung habe, ob das für diesen Abend vorgesehen sei, verkündete mir ein anderer: „Miro hat welche im Auto!“ Das war doch schon mal eine ermutigende Aussage, also wartete ich geduldig, bis eben jener Miro auf mich zukam und mich fragte, ob ich die CD haben wolle. Als ich bejahte, sagte er: „Gut, dann gehen wir zum Auto!“ Dort angekommen, zog er als Erstes ein ungefähr einen Meter breites Schild aus dem Kofferraum, auf dem stand, dass die Klapa-Musik von der UNESCO anerkanntes Kulturerbe sei und jede CD 100 Kuna oder eben 15 Euro koste. Dieses Schild hielt er sich erst grinsend vor die Brust, stellte es dann an das Hinterrad seines Autos, holte eine CD heraus, nahm das Geld von mir entgegen, legte das Schild wieder in den Kofferraum und verschwand in der Dunkelheit.

 
Erst auf dem Heimweg, als die Straßenbeleuchtung wieder stärker wurde, sah ich, dass es noch nicht einmal eine CD dieser Klapa war, sondern von einer anderen, die nur aus derselben Stadt stammte. Ob sie selbst noch keine CD veröffentlicht haben oder das ein Versehen war, weiß ich nicht. Immerhin war es aber das am wenigsten auf Kommerz ausgerichtete Konzert, das ich je erlebt habe.  

 
(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
 
Copyright 2015. All rights reserved.
Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü