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Kroatien
 
 
Matrjoschka-Prinzip à la croate

 
Zwölf Jahre sind seit unserem ersten Besuch in Split vergangen. Zwölf Jahre, die nicht nur für uns, sondern auch für die zweitgrößte Stadt Kroatiens viele Veränderungen mit sich gebracht haben. Selbstverständlich sind die wichtigen Sehenswürdigkeiten noch an Ort und Stelle, daran hat sich in Tausenden von Jahren nichts geändert. Neu aber waren für uns die Touristenströme, die sich buchstäblich durch die Altstadt wälzten. Wir hatten Split noch als relativ ruhig und fast beschaulich in bester Erinnerung, doch nun bedurfte es einer Phase der Eingewöhnung, bis wir uns dem neuen Rhythmus der Stadt angepasst hatten und nun dieses veränderte Split für uns entdecken konnten.

 
Die bekannteste Attraktion der Stadt ist nach wie vor der Diokletianspalast. Der Kaiser selbst soll in Salona, einer römischen Siedlung, etwa fünf Kilometer vom heutigen Split entfernt, geboren worden sein. Als seine Herrschaft im Jahre 305 zu Ende ging, soll er Späher ausgeschickt haben, die einen würdigen Platz für seinen Palast finden sollten. Es dürfte ihm sehr entgegengekommen sein, dass sich der von ihnen vorgeschlagene Ort ganz in der Nähe seines Geburtsortes befand. Davon zeugt zumindest ein Zitat, das von Diokletian überliefert ist. Als man ihn aufgrund der Probleme, die die Tetrarchie, die von ihm installierte Viererherrschaft, mit sich brachte, bat, noch einmal die Amtsgeschäfte zu übernehmen, soll er geantwortet haben: „Wenn Ihr die Kohlköpfe gesehen hättet, die wir hier eigenhändig ziehen, wüsstet Ihr, dass das keine Alternative für mich ist.“ Wer einmal in Dalmatien frisches Gemüse gegessen hat, wird ihn sicher verstehen.

 
Doch nicht nur für sein Gemüse und sein Obst ist Kroatien bekannt. Insgesamt hat es acht Stätten die von der UNESCO als Welterbe der Menschheit anerkannt wurden, darunter sieben Weltkulturerbestätten und ein Weltnaturerbe. Selbstverständlich zählt auch der Diokletianspalast dazu. Allerdings gibt es ja seit 2008 auch die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes. Auch dort ist Kroatien vielfältig vertreten.

 
Insgesamt kann das Land 13 Einträge in der Liste des Immateriellen Kulturerbes für sich verbuchen (wobei es sich die Mittelmeerküche allerdings verständlicherweise mit sechs anderen Ländern teilen muss). Eine dieser kulturellen Errungenschaften ist der polyphone Gesang der Klape in Dalmatien. Eine Klapa ist in den meisten Fällen eine männliche  A-capella-Gruppe, manchmal allerdings begleitet von Instrumenten wie Gitarre, Mandoline oder Akkordeon. Sie singen sowohl überlieferte Volkslieder als auch modernere Stücke – das Stehenbleiben und Zuhören lohnt sich aber auf jeden Fall.

 
In einer Rotunde des Diokletianspalastes trat nun für uns völlig unerwartet eine solche Klapa auf, und wir hatten das Glück, quasi das eine Welterbe im anderen Welterbe zu erleben – wie bei einer Matrjoschka, die, wenn man in ihr Inneres sieht, die nächste Überraschung bereithält. Wer auch immer sich anschickte, diesen Abschnitt des Palastes möglichst schnell zu passieren, weil es außer weißen Mauern eigentlich nichts zu sehen gab, blieb unweigerlich stehen und hielt inne. So wurde dieser Augenblick der Ruhe, in dem wir die südländischen Klänge einfach genießen konnten, mein ganz persönlicher Höhepunkt unseres Wiedersehens mit Split: das kroatische Matrjoschka-Prinzip.

 
August 2016
(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
 
 
 
 
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