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Kroatien
 
Wiedersehen macht Freude

 
Fast auf den Tag genau ein Jahr zuvor hatten wir dieses Dorf zum ersten Mal betreten. Drei Wochen hatten wir hier verbracht, und nun fühlte es sich an, als wären wir nie fort gewesen. Wir liefen wieder die eine Straße entlang, die man guten Gewissens als Hauptschlagader von Jezera bezeichnen kann, und freuten uns darauf, wieder in dieses Flair einzutauchen und den Urlaubsrhythmus, der das Leben hier bestimmte, zu unserem eigenen zu machen.

 
In einem Ort, der hauptsächlich vom Tourismus im Sommer lebt – anders lässt sich die friedliche Koexistenz von etwa einem Dutzend Restaurants in einem Dorf, das nicht einmal 1000 Einwohner zählt, nicht erklären –, liegt ein ständiges Kommen und Gehen in der Natur der Sache. Der Jachthafen zieht Besucher an, die vielleicht nur wenige Tage bleiben, und in den zahlreichen Zimmern, die vermietet werden, dürfte der Turnus auch selten über zwei Wochen hinausgehen. Umso schöner ist es, wenn man nach einem Jahr wiederkommt und tatsächlich auf Konstanten trifft: Menschen, die hier leben und einem im Jahr zuvor schon sympathisch waren.

 
Die erste von ihnen war Ivanka Milin, die Inhaberin des Restaurants „Kandela“, in dem wir auch im Jahr zuvor schon gern unsere Abende verbracht haben. Wohl wissend, dass man in Jezera immer vorher reservieren sollte, wenn man in einer bestimmten Konoba, wie die Gaststätten hier heißen, essen möchte, hatten wir uns an diesem ersten Urlaubsabend einfach treiben lassen und waren dort eingekehrt, wo gerade zufällig Platz gewesen war. Nun trafen wir Ivanka auf unserem Heimweg ins Quartier, und tatsächlich erinnerte sie sich ebenfalls an uns. Natürlich haben wir bei so einer günstigen Gelegenheit gleich einen Tisch für den nächsten Abend bei ihr bestellt und uns gleich wieder ein bisschen heimisch gefühlt. Es gab wieder hervorragenden Fisch, dessen konkrete Zubereitungsart wieder nicht auf der Karte stand, alles wie vor einem Jahr. Wir haben noch viele Abende im „Kandela“ verbracht, uns nach wie vor sehr wohlgefühlt und die tollen Fischgerichte genossen. Der Drachenkopf in Tomatensoße mit Polenta ist immer wieder ein Erlebnis, und das Thunfisch-Steak sollte man sich ebenfalls nicht entgehen lassen. Das polyglotte Team vom „Kandela“ hat uns immer sehr herzlich aufgenommen und uns zum Abschied sogar noch eine Vorspeise auf Kosten des Hauses serviert. Als wir versprachen, so bald wie möglich wiederzukommen, sagte der sonnengebräunte Kellner, von dem wir nicht eindeutig herausgefunden haben, ob er nicht vielleicht wirklich Ivankas Vater ist, verschmitzt: „Also im nächsten Jahr bin ich auf jeden Fall schon in Rente“, woraufhin sie uns mit einem Augenzwinkern verkündete: „Das sagt er jedes Jahr!“ Genau das ist es wohl, was die angenehme Atmosphäre in dieser Konoba ausmacht - dass man merkt, dass den Menschen, die sich dort um das Wohl ihrer Gäste sorgen, ihre Arbeit so viel Spaß macht, dass sie selbst den wohlverdienten Ruhestand lieber immer noch ein bisschen hinauszögern. Auch wenn ihm seine Rente natürlich zu gönnen ist, hoffen wir, dass zumindest bis zum nächsten Mal noch alles beim Alten bleibt!

 
Unser zweiter Anlaufpunkt war ein kleines Geschäft, das man wahrscheinlich kennen muss, um wirklich dort hineinzugehen, weil es relativ versteckt liegt. Der Werbung nach zu urteilen, gibt es dort Souvenirs und Antiquitäten, und genau das hatte uns im Jahr zuvor auch in die abgelegene kleine Gasse geführt. Der Inhaber ist schon ein etwas älteres Semester, und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, er betreibe den Laden eher als abendlichen Zeitvertreib denn als wahrhaftige Einkommensquelle. Jeden Abend sitzt er vor seiner Tür, hält hier und da ein Schwätzchen mit Bekannten, die vermutlich nicht wesentlich jünger sind als er, und genießt offensichtlich die abendliche Kühle (falls vorhanden) und die Gesellschaft und freut sich über jeden, der sich im wahrsten Sinne des Wortes in diese kleine Gasse verirrt. Viele der feilgebotenenen Antiquitäten kannten wir noch vom letzten Jahr, und auch die neu hinzugekommenen Souvenirs waren nicht eben zahlreich. Aber die Atmosphäre dieses Ladens, dieses etwas aus der Zeit Gefallene, übten doch wieder eine magische Anziehungskraft auf uns aus. Inzwischen ertönt die musikalische Untermalung nicht mehr vom Plattenspieler, sondern als YouTube-Datei von dem Computer, der im vorigen Jahr noch ausschließlich als Registrierkasse diente, aber man kann immer noch Strauß-Walzer und Ähnliches hören, während man sich überlegt, ob man einen ausgesprochen gut erhaltenen Rechenschieber oder eine Kinderklarinette gebrauchen kann.

 
So haben also eine reizende Restaurant-Inhaberin und älterer Ladenbesitzer gleich an unserem ersten vollständigen Urlaubstag in Jezera dafür gesorgt, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes das Gefühl bekamen, angekommen zu sein. Es war dieses Durchatmen-Können und die Erkenntnis, dass sich in einem Jahr zwar vieles ändern kann, manches aber eben zum Glück auch nicht. Deshalb freuen wir uns darauf, beide auch beim nächsten Mal wieder zu sehen: Ivanka und den netten Antiquitätenverkäufer, denn wie das alte Sprichwort sagt: Wiedersehen macht Freude!
 

 
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