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Tschechien
 
Die Stadt lebt nicht vom Bier allein

 
Woran denkt man zuerst, wenn man in unseren Breiten den Namen Pilsen hört? Es ist wohl keine besonders mutige Prognose, davon auszugehen, dass das wohl das berühmte Bier sein dürfte. Um dieses zu genießen, muss man inzwischen schon lange nicht mehr nach Tschechien fahren, dennoch aber ist die Stadt seiner Herkunft durchaus einen Besuch wert, und das nicht nur des dort ansässigen Brauereimuseums wegen. Für uns ergab sich die Gelegenheit bei einer Fahrt in den Urlaub. Auch wenn es nur eine Stippvisite auf der Durchreise war, reichte der kurze Aufenthalt, um festzustellen, dass es sich durchaus lohnen würde, auch einmal länger zu verweilen.
 
           Pilsen ist die zweitgrößte Stadt Böhmens und die viertgrößte der gesamten Tschechischen Republik. In der Stadt sind noch sehr viele historische Bauten aus der Renaissance und dem Barock mit wirklich wunderschönem Fassadenschmuck erhalten geblieben. Das Theater wollten wir uns eigentlich von innen ansehen, aber weil die Theaterferien schon zu Ende waren, fanden dort keine Führungen mehr statt. Schade, denn Pilsen gehört zu den traditionsreichsten Theaterstädten Tschechiens. Immerhin findet hier seit 1993 alljährlich im Herbst ein internationales Theaterfestival statt, und Josef Skupa, der Erfinder der berühmten Marionetten Spejbl und Hurvínek, lebte ebenfalls in Pilsen, bevor er mit seinem berühmten Marionettentheater nach Prag zog.
 
Der Hauptplatz ist mit 193 x 139 Metern der größte seiner Art in Böhmen und wird von einem weiteren "Rekordhalter" dominiert wird: dem Turm der Sankt-Bartholomäus-Kathedrale, der mit 103 der höchste Kirchturm in Tschechien ist. Während ich gerade eines der historischen Häuser fotografierte, sprach mich ein älterer Herr an und fragte, ob mir das Haus da gefiele. Als ich bejahte, erzählt er mir die Geschichte von diesem und dem benachbarten Haus. Ursprünglich waren es Häuser mit nur einer Etage gewesen, in denen rivalisierende Nachbarn gewohnt hatten. Immer wenn einer von beiden ein Stockwerk höher gebaut hat, hat der andere nachgezogen. Inzwischen ist jedoch eines von beiden verfallen, weil die Eigentumsfrage nicht geklärt ist. Außerdem zeigte er uns die einzigen drei Häuser, die nicht zum architektonischen Ensemble dieses Platzes gehörten: eines aus der Zeit der ersten Republik (so nennt man hier die Zeit von 1918 bis 1938, als es erstmalig einen unabhängigen tschechoslowakischen Staat gab) und zwei aus der Neuzeit. Dann hat er uns noch erzählt, dass Pilsen 1295 gegründet wurde und es das erste Mal eine richtige Stadtplanung gab. Deshalb sei hier auch alles nicht so verwinkelt wie in Prag (“Zickzack“, wie er sagte), sondern streng rechtwinklig.
 
Nach diesen Begegnungen und Erlebnissen in der Stadt, die auch die Wiege des böhmischen Buchdrucks ist, spricht natürlich nichts dagegen, irgendwo einzukehren und sich das berühmte Pilsener Bier schmecken zu lassen. Doch wer einmal in Pilsen war, wird wohl immer daran denken, dass das bei Weitem nicht das Einzige, was diese Stadt zu bieten hat.

(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
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