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Tschechien
 
Safari in Ostböhmen
 

Die Sonne ist bereits untergegangen, ein Watussirind-Kälbchen wird von einem Zebra trockengeleckt und bekommt anschließend einen sanften Schubs, damit es zu seiner Gruppe zurückkehrt. Antilopen verschiedenster Art grasen friedlich an einem Hang in der Dämmerung. Die Fauna unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von der in der Savanne, die Flora hingegen erheblich. Das liegt daran, dass Afrika Tausende von Kilometern entfernt ist und sich der Hang, von dem hier die Rede ist, im ostböhmischen Dvůr Králové befindet.

Auf den ersten Blick wirkt dieser Zoo wie viele andere: Tiergehege, Reptilien-, Affen- und Vogelhäuser. Hat man diesen Teil jedoch hinter sich gelassen, bekommt man bereits einen ersten Eindruck davon, warum Dvůr Králové doch etwas Besonderes hat: Eine Holzbrücke ermöglicht es, den Giraffen in der Höhe ein wenig näher zu kommen, und die Gehege sind nicht mehr nach Tierarten getrennt. Da laufen Zebras zwischen Giraffen herum, und wenn man Glück hat, schaut auch einmal ein Nashorn vorbei. Das allerdings gut abgetrennt, damit weder Mensch noch Tier unnötigen Gefahren ausgesetzt werden. Es ist eben kein gewöhnlicher, sondern ein Safari-Zoo.

 
Es gibt hier verschiedene Möglichkeiten, sich auf eine Safari zu begeben – eine gewisse Strecke zu Fuß, dann im eigenen Auto, in einem Bus mit offenen Fenstern und im sogenannten Afrika-Truck, in dem man sogar durch das Löwengehege fahren kann. Das kann man im eigenen Auto zwar auch, doch entgehen einem dabei viele Erklärungen, die im Bus und im Truck zumindest auf Tschechisch gegeben werden. Im zooeigenen Camp kann man in afrikanisch anmutenden Bungalows übernachten und so sicher auch vieles aus der Nähe sehen, das einem in anderen Tierparks verborgen bleibt.

Seit 1989 werden Safari-Touren angeboten, seit einigen Jahren erst in der erwähnten Vielfalt. Vieles ist Josef Vagner zu verdanken, der bis 1983 hier Zoodirektor war und sich besonders für die Zucht afrikanischer Wildtiere einsetzte. So ist es in der Endkonsequenz wohl auch sein Verdienst, dass wir hier das Tier zu sehen bekommen, das möglicherweise für den Ursprung der Einhorn-Mythen Pate gestanden hat: die Säbelantilope, deren lange Hörner im Profil zu einer Einheit verschmelzen, sodass es den Anschein hat, als wäre nur ein Horn vorhanden.

Das Bild, das sich uns bei der Abendsafari bietet, kommt unserer Vorstellung von Afrika und dem Leben der Tiere dort ziemlich nahe, und den Höhepunkt bildet, ohne es selbst zu ahnen, das kleine Watussirind, das sich von einem Zebra ablecken lässt. Es ist eine besondere Atmosphäre, die uns umfängt, denn die Ruhe, die um diese Zeit hier herrscht, ist nicht im Entferntesten mit dem üblichen Trubel tagsüber zu vergleichen. Das scheint auch den Tieren zu gefallen, denn sie ziehen scheinbar frei und ungezwungen über die Weideflächen, treffen sich an den Futterstellen und würdigen uns auch dann nur manchmal eines Blickes, wenn der Scheinwerfer des Zoo-Führers sie anleuchtet. Mitunter trotten ganze Herden so gemächlich den für die Fahrzeuge vorgesehenen Weg entlang, dass der Busfahrer anhalten und den Tieren sozusagen die Vorfahrt gewähren muss. Es ist ein so beeindruckendes Erlebnis, dass wir spontan beschließen, an einem der nächsten Tage auch noch die Safari mit dem Afrika-Truck mitzumachen.

Was bleibt, sind wunderbare Eindrücke und das Fazit, dass Tschechien immer wieder eine Reise wert ist. Seit wir das letzte Mal in dieser Gegend waren, hat sich unheimlich viel getan, und man spürt, dass alles daran gesetzt wird, touristische Anziehungspunkte noch attraktiver zu gestalten. Dass man dabei offensichtlich nicht in erster Linie darauf setzt, ausländische Besucher um jeden Preis anzulocken, sondern sich wohl zunächst vorrangig auf die eigenen Landsleute konzentriert, macht mir persönlich diese Bemühungen nur umso sympathischer.

 
(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
 
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