Von Asien zurück nach Europa
Am
zweiten und letzten Tag unseres Aufenthaltes in Istanbul erwartete eine
Bootsfahrt auf dem Bosporus. Das Schiff fuhr uns an all den Sehenswürdigkeiten
vorbei, die wir am Abend zuvor nur bei nächtlicher Beleuchtung gesehen hatten.
Ausgangspunkt war das Ufer in der Nähe der Süleyman-Moschee, und von dort aus
schickten wir uns nun an, die Stadt auch von der Wasserseite aus zu erkunden.
Wie Perlen auf einer Kette reihten sich die ufernahen Paläste aneinander, und
es hatte schon seinen eigenen Reiz, herausfinden zu wollen, inwieweit sich die
auf Deutsch, Holländisch, Russisch und Polnisch gegebenen Erklärungen der
verschiedenen Reiseführer voneinander unterschieden.
So
passierten wir Moscheen, Stadtviertel unterschiedlichster Couleur und
schließlich auch die im 15. Jahrhundert errichtete Festung Rumeli Hisari, die
inzwischen ein Museum ist. Bei den Moscheen konnten wir dank den Erklärungen
immer genau erkennen, wer sie gestiftet hat: Verfügt eine Moschee über zwei,
vier oder sechs Minarette, wurde sie auf Befehl eines Sultans gebaut, Moscheen
mit einer ungeraden Anzahl von Minaretten sind kommunalen Ursprungs. Früher kam
der Sultan übrigens jeden Freitag in eine der Moscheen, um den Menschen die
Möglichkeit zu geben, mit ihm zu reden, denn Zutritt zum Palast hatten sie
nicht.
Eine
Vorstellung davon, dass sich Istanbul tatsächlich zwischen zwei großen Meeren
befindet, erhielten wir durch den einen oder anderen großen Schlepper, der
parallel zu uns fuhr und einen Hauch der „großen, weiten Welt“ in den Bosporus
pustete. Nachdem wir einen Blick auf die hochbegehrten Villen am Ufer der
asiatischen Seite geworfen hatten, wartete auch schon unser erster
Zwischenstopp an diesem Tag auf uns: der Beylerbeyi-Palast, den der Sultan
Abdülaziz in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts auf der asiatischen Seite
Istanbuls als Sommerresidenz hatte bauen lassen. Zwar darf man in dem Palast
nicht fotografieren, einige Eindrücke aber werden mir auch ohne die
entsprechende visuelle Unterstützung im Gedächtnis bleiben, wie etwa die
riesige Eingangshalle, der Blaue Saal und ein Saal, in dem es ein großes
Wasserbecken gab.
Besonders
schön war auch der Garten des Schlosses, der allerdings in vielerlei Hinsicht
fast schon europäisch anmutete, sowohl was die vorhandenen Statuen als auch die
Vegetation anging. Die dort errichteten Pavillons brachten uns dennoch die
Erkenntnis zurück, uns hier auf der asiatischen Seite und im ehemaligen Park
eines Sultans zu befinden.
Eine
andere, mit einem Sultan verbundene Geschichte ist in Istanbul auch immer
wieder eine Erwähnung wert – die Romanze des Sultans mit seiner französischen
Geliebten, die aus der Familie von Joséphine, der Gattin Napoleons und späteren
Kaiserin Frankreichs, stammte. Zwar klingt es manchmal so, als wäre fast
Joséphine selbst dem Sultan verfallen, doch es wird immer wieder darauf
hingewiesen, welche architektonischen Schmuckstücke der Sultan extra für eben
jene Aimée du Buc de Rivéry hat bauen oder einrichten lassen. Dabei wird jedoch
mitunter der Umstand geschickt unterschlagen, der dazu geführt hat, dass die
Dame überhaupt in Istanbul gelandet ist:
So
soll sie als 11-Jährige bei einer Überfahrt von Nantes von Piraten geraubt und
versklavt worden sein, um anschließend als Geschenk des Beys von Algier im Harem
des Sultans zu landen. Anderen Überlieferungen zufolge ist allerdings nie
geklärt worden, ob die Identität der Geliebten des Sultans wirklich die der
Verwandten von Joséphine war. Aber als Geschichte, mit der man Stadtrundfahrten
auflockern kann, taugt sie allemal.
Später
waren wir wieder im europäischen Teil der Stadt, und nach einigem Flanieren
über eine Platanenallee ging es weiter zur letzten geplanten Station unseres
Aufenthaltes – Istanbul Sirkeci, dem Bahnhof, an dem zu früheren Zeiten die
Züge des legendären Orient-Expresses ankamen und der, man möge es mir
verzeihen, inzwischen auf mich einen etwas renovierungsbedürftigen Eindruck
gemacht hat. Allerdings muss man sich dabei natürlich vergegenwärtigen, dass
die Hochzeit des Orient-Expresses vor dem Zweiten Weltkrieg lag, also zu einer
Zeit, als Istanbul, das diesen Namen erst seit 1930 komplett offiziell trägt,
fast noch Konstantinopel war.
Es
kann jedoch auch daran liegen, dass die eigentliche Eingangshalle heute ein
moderner Bau ist, während das alte Bahnhofsgebäude nur noch für Restaurants
etc. und eben als Touristenattraktion genutzt wird.
Nach
dem Mittagessen in besagtem Bahnhofsrestaurant mussten wir leider auch schon
wieder aufbrechen, weil unsere Zeit in Istanbul für dieses Mal herum war.
Nach
einigen Unwägbarkeiten auf der Rückfahrt kamen wir weit nach Mitternacht erschöpft, aber glücklich, diesen Ausflug unternommen zu
haben, wieder in unserem Hotel an.